Wenn Fellnasen gezielt auf Spurensuche gehen
Bad Königshofen (hf). Sie heißen Traudel, Caja, Shadow, Lazy oder Henry und sind Rettungshunde, die dann zum Einsatz kommen, wenn Menschen in Lebensgefahr sind. Dazu allerdings müssen sie sich im Turnus von zwei Jahren immer wieder einer Leistungsprüfung unterziehen. In diesem Jahre waren deshalb an zwei Tagen Rettungshundeführer aus Bayern und Hessen im Landkreis Rhön-Grabfeld unterwegs. Im Tross ein Prüferteam, das auf die genaue Einhaltung der vorgegebenen Vorschriften achtete. Allen voran, die Nase dicht am Boden der zu prüfende Hund. Er folgte der Geruchsspur eines Menschen, die tags zuvor gelegt werden musste. Wie das vor sich geht, habe ich bei einem Selbsttest erfahren.
Dabei war ich erstaunt, über die Leistung der Vierbeiner, aber auch über den Planungsaufwand, den die ausrichtende Rettungshundestaffel Rhön-Grabfeld, mit dieser überregionalen Prüfung zu bewältigen hatte. Viele Abende saßen die Staffelleiterin Ida Storch und Alexandra Klinger bereits im Vorfeld zusammen, um landkreisweit mögliche Routen, die sogenannten Trails, zu planen, die den Richtlinien der Prüfungsordnung des Bayrischen Roten Kreuzes entsprachen. Nach der Planung auf dem Papier, folgte das Ablaufen der Routen in der Realität und notwendige Anpassungen wurden vorgenommen. Nun war alles vorbereitet für die „Läufer“, die am Vortag der eigentlichen Suchprüfung die Geruchsspur legen mussten. Jeder Prüfling muss seinen eigenen Trail mit eigenem Läufer erhalten und einer dieser Läufer, war in diesem Jahr ich. Die Geruchsspuren mussten so gelegt sein, dass sie sich weder gegenseitig „zu nahekamen“ noch durfte der „Läufer“ im Vorfeld, sowie nach dem Auslegen, näher als 2 km an seinen Trail herankommen. Mein Treffpunkt mit dem sogenannten Shuttlefahrer, der mich in einem neutralen Auto zum Start meiner Laufspur brachte, befand sich somit gut 3km außerhalb meines Trailorts Hendungen.
Hier wartete bereits ein BRK Fahrzeug, um mich zum Start des Trails zu fahren. Einige Vorbereitungen mussten jedoch vorab getroffen werden.
Somit hatte es bereits einige Tage zuvor eine Videokonferenz für meine „Läuferkollegen“ und mich gegeben, bei dir wir einige Anweisungen erhielten, die es in sich hatten. Zunächst sollte eine Kompresse, die luftdicht verschlossen war, mindestens eine Stunde vor Beginn des Trails auf die Haut gelegt werden. Damit kein anderer Geruch von außen dazu kommen konnte, mussten, bei der Anfahrt zum Trailstart, die Fenster des BRK Fahrzeugs geschlossen und die Lüftung ausgeschaltet bleiben Heizung anmachen, war ebenso nicht möglich. Kalte Füße hielten sich, dank der milden Temperaturen, zum Glück in Grenzen.
Am Start angekommen, musste ich die Kompresse zweifach in Gefrierbeutel verpacken und in ein Schraubdeckelglas geben. „Damit der Geruch des Läufers, der nun an der Kompresse haftet, möglichst ohne jeden Fremdgeruch gesichert werden und dem Prüflingsteam als Referenzgeruch des gesuchten Läufers übergeben werden kann“, so hieß es vom Prüfungleitungsteam. Nun war mein Einsatz gefragt und die Gruppe aus Prüfern, Prüfungsleitung und mir setzte sich in Bewegung.
„Keinesfalls stehen bleiben, immer zulaufen,“ hieß es gleich zu Beginn, als ich natürlich das erste Foto schießen wollte. Denn ein Verweilen führt zu einer Ansammlung von Geruchspartikeln, einem sogenannten Geruchspool, der für die Hunde schwieriger auszuarbeiten ist, als es eine „schmale“ Geruchsspur ist, wie sie beim Laufen entsteht.
Dann hieß es rund 1,7 Kilometer über Feldwege, Straßen, durch Hendungen bis zu einer Anhöhe laufen. Dort hinter einem Holzstoß sollte mein Versteck sein, aber erst für morgen. Denn die Geruchsspur sollte über Nacht „liegen bleiben“ um sie, vergleichbar der in einem Echteinsatz, bei der eine Person in der Regel mehrere Stunden vermisst ist, bis die Suchmaßnahmen beginnen, äußeren Einflüssen wie der Witterung, Verleitungsspuren anderer Menschen und Tiere auszusetzen.
„Danke fürs Mitmachen, dann bis morgen,“ sagte das Team und ohne weitere Worte zu wechseln, stieg ich zügig in das wartende Fahrzeug ein. Warum keine Zeit für einen Plausch am Zielpunkt war, war mir mittlerweile klar, denn auch hier sollte kein Geruchspool entstehen. Es ging nun, natürlich wieder bei geschlossenen Fenstern und ohne Lüftung, zurück zum Treffpunkt außerhalb Hendungens. Auf der Rückfahrt blieb dann natürlich Zeit für Gespräche mit meinem Fahrer Christoph und ich erhielt die Gelegenheit nachzufragen, wie der Rettungshund am nächsten Tag meine Spur zwischen all den anderen verfolgen kann, wo er nur die Kompresse erhält, die ich am Körper getragen habe. Christoph erläutert, dass der Hund den Geruch auf der Kompresse der passenden Laufspur „zuordnent“ und so genau dem Geruch der gesuchten Person folgen kann.
Der Hintergrund für diese Geruchsspur seien die vielen Hautpartikel, die ein Mensch in jeder Sekunde verliert und die auch zu Boden fallen und dort eine individuelle Spur bilden, die der Hund erriechen kann. Dabei kann er diese Duftspur von der anderer Personen unterscheiden und sogar die Laufrichtung der Spur bestimmen, um der Person zu folgen. „Wie das möglich ist?“ Das ist noch immer eine nicht gänzlich aufgeklärte Frage. Umso größer ist die Spannung als Fahrer Christoph und ich am nächsten Tag, erneut zum Holzstapel bei Hendungen fuhren und ich mich dort verstecken sollte, so dass der Hund mich nicht sieht.
Doch schon ein erstes Problem: Auf dem geplanten Anfahrtsweg stand ein Fahrzeug, so dass wir nicht weiterfahren konnten. Aussteigen und zu Fuß zum Holzstapel hinlaufen, ging auch nicht, da ich damit, früher als geplant, frischen Geruch verteilen würde, dem der zu prüfende Rettungshund dann, statt die ältere Geruchsspur zu nutzen, folgen würde. Also mit dem Besitzer des Autos sprechen und ihn bitten sein Fahrzeug wegzufahren. Aber: wir durften ja weder Türen noch Fenster öffnen. So machte mein Fahrer dem etwas verwunderten Herrn durch die geschlossen Scheibe klar, dass wir eine Übung für Rettungshunde haben und deshalb nicht öffnen können. Der Herr fuhr schließlich sein Auto zur Seite, sicher mit einem Kopfschütteln darüber, wieso dieses Fahrzeug denn unbedingt über genau diesen Weg zu einem Holzstapel fahren musste.
Im Auto konnte Christoph über eine spezielle App nachverfolgen, wo das Such Team gerade ist. Dann die Nachricht von Ida Storch: „Jetzt, aber schnell!“ Na das machten wir sofort. Ja und dann stand ich hinter dem Holzstoß in Erwartung, ob mich der Hund wohl finden wird. Gegenüber auf einer Weide standen drei Schafe, die neugierig herüberschauten und nicht verstanden, was ich da wohl vorhatte. Schließlich blökten sie auch noch und ich hoffte, dass sie damit dem Suchhund nicht verraten hatten, wo ich stand. Kurze Zeit später, Geräusche. Könnten sie das sein? Oje vorbei gegangen. Schade dachte ich, nicht gefunden. Als ich aber nachschaute, stellte ich fest, dass es ein Landwirt mit einem Pferd war. Glück gehabt!
Also weiter warten. Um mir die Zeit zu vertreiben verfolgte ich per Handy die Beisetzungsfeierlichkeiten für den emert. Weihbischof Helmut Bauer im Würzburger Dom. Ja und so kam es, dass, von mir unbemerkt, plötzlich ein kleiner Hund vor mir stand, sich setzte und zu bellen begann. Das sagte seinem Herrchen: Komm her, ich hab den Mann gefunden! Ganz ehrlich: Ich habe mich in dem Moment mit dem Vierbeiner ebenso gefreut, wie sein Herrchen und das Prüferteam. Super, er hat dich gefunden, sagten Ida und Alex freudig und der Prüfling war ebenso glücklich, denn zum vierten Mal hat er mit seiner Hündin Line die Prüfung als Mantrailer bestanden. Herzlichen Glückwunsch!