Zwei schwere Verkehrsunfälle müssen verkraftet werde
Bad Neustadt (hf). Verkehrsunfälle mit Schwerverletzten oder getöteten Personen sind für die Rettungskräfte immer belastend. Besonders aber dann, wenn Tote aus völlig demolierten Autowracks mit der Rettungsschere und Spreizer regelrecht herausgeschnitten werden müssen. So auch am 30. April auf der 279 bei Frankenheim, wo eine Fahrerin aus bislang ungeklärter Ursache frontal mit einem Lkw zusammenprallte. Wenige Tage später dann, ebenfalls auf der B 279, bei Bad Neustadt am Zubringer zur A 71. Hier wurde der Fahrer aus dem Auto unter einen Lkw geschleudert und tödlich verletzt. Seine Mitfahrerin wurde lebensgefährlich verletzt und starb einen Tag später in der Klinik.
Kreisbrandrat Stefan Schmöger verwies denn auch am Unfallort auf die Leichenteile, die auf der Fahrbahn verstreut umherlagen. „Bitte aufpassen!“ sagte er all denjenigen, die im Bereich des Lkws waren, wo der Fahrer unter das Fahrzeug geschleudert worden war. Einsatzleiter der Feuerwehr war Kreisbrandinspektor Michael Omert. Ihm oblag es auch mit den Feuerwehrleuten darüber zu sprechen, wer die Aufgabe übernimmt und die Bergung des Leichnam unter dem Lkw übernimmt. Das rückte zunächst in den Hintergrund, denn erst mussten die Schwerverletzten aus Pkw und Lkw medizinisch versorgt werden. Der Einsatzleiter Feuerwehr sprach schließlich mit Kommandant Markus Schneyer von der Feuerwehr Bad Neustadt, wer die Bergung übernehmen könnte. Eine nicht leichte Entscheidung, die jeder für sich treffen muss, sagt Kreisbrandrat Stefan Schmöger nach dem Einsatz.
Der Kommandant besprach die Bergung mit Wehrleuten, die sich freiwillig zur Verfügung stellten. „Ein solches zerstörtes Unfallfahrzeug habe ich bisher noch nicht gesehen und auch die Bergung gestaltete sich sehr schwierig, da der Pkw im Lkw verklemmt war, so dass die Fahrzeuge erst auseinandergezogen werden mussten, um den Toten zu bergen. Dies alles geschah aber erst, als der Bestatter vor Ort war. Ein Einsatz, der von den Feuerwehrleuten verkraftet werden muss. Dazu war es an diesem Abend wichtig am Feuerwehrgerätehaus noch zusammen zu sitzen, den Einsatz zu besprechen und zu reden. „Da ist die Kameradschaft ganz, ganz wichtig und hilfreich,“ sagt Kommandant Markus Schneyer. Die Psychosoziale Notfallseelsorge war in Bereitschaft, wurde bisher aber nicht angefordert. „Unsere Leute wisse, wenn sie Probleme haben sollten, sagen sie es uns und werden dann entsprechend betreut.“
An der ersten Unfallstelle mit dem Fahrzeug unter dem Lkw, waren auch die Saaler Feuerwehrleute. Stellvertretender Kommandant Matthias Hess: „Wir waren zwar nur unterstützend dabei, haben uns im Hintergrund gehalten, aber es war auch für unsere Jungs ein äußerst schwieriger Einsatz, den man nicht so einfach wegsteckt.“ Von großem Vorteil nennt er die Psychosoziale Notfallversorgung, die in solchen Fällen als kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung steht. „Sie sind ganz wichtig, vor alle für junge Feuerwehrleute, um so etwas zu verkraften.“
Als einer der ersten vor Ort ist meist der Rettungsdienst und der Einsatzleiter Rettungsdienst. Elias Holzheimer war sowohl in Frankenheim als auch auf der B 279 vor Ort. Wie verarbeitete man einen solch schweren Einsatz, wie jetzt am Zubringer zur A 71? Notwendig sei für die persönliche Verarbeitung aber auch im Nachhinein zu wissen, welche schweren Einsätze stattfanden. „Nur so kann man aufkommende ‚Trigger‘ verarbeiten, unter anderem im Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen und zwar ganz nüchtern und ohne emotional zu werden“. Gerade die Einsatzleiter Rettungsdienst sind gut geschult. So hospitiert der Einsatzleiter des Rettungsdienstes sowohl in der Leitstelle, bei der Polizei, in einer Klinik, als auch unter anderem bei der Feuerwehr, um die entsprechenden Einblicke für seinen künftigen Dienst zu bekommen. Richard Rockenzahn, Leiter der Einsatzleitergruppe Rettungsdienst beim BRK Rhön-Grabfeld, erwähnt die kollegialen Ansprechpartner im BRK und vor allem „das Miteinander reden.“ Auch für Notarzt Klaus Büchner, war dies kein „alltäglicher“ Einsatz. „Vor Ort erledigt man seine Arbeit und schaut, dass den Patienten schnell geholfen wird und sie in die Klinik gebracht werden, den Einsatz selbst verarbeitet man dann später.“ In fast 35 Jahren Notarztdienst weiß Klaus Büchner wovon er spricht, denn „da habe ich schon einiges erlebt, das verkraftet werden musste.“ Im Einsatzgeschehen sind auch Beamte der Polizei eingebunden, die den Unfallhergang aufnehmen. Bei schweren Unfällen, wie am Zubringer oder bei Frankenheim, gibt es auch hier eine Nachbesprechung und das Präsidium bietet zusätzlich Diplom Psychologen, die für Beamte nach besonders schweren Einsätzen zur Verfügung stehen.
Beim Unfall auf der B 279 waren sowohl der Mellrichstädter Pfarrer Thomas Menzel als auch Thomas Keßler als Notfallseelsorger. Für Pfarrer Thomas Menzel ist es bei solchen Einsätzen wichtig, zu signalisieren, dass man ansprechbar ist. Informiert wurde auch die Seelsorgerin am Rhönklinikum Campus in Bad Neustadt, wo die Schwerverletzten eingeliefert wurden. Sie betreute unter anderem den Lkw-Fahrer. Als Notfallseelsorger sei man aber auch Ansprechpartner für die Feuerwehrleute, die später dann den Toten unter dem Lkw geborgen haben. Die Notfallseelsorge ist für Pfarrer Thomas Menzel gerade in solchen Situationen wichtig. Oft sei es ein Signal für die Einsatzkräfte, dass jemand da ist, der Menschen in akuten Notsituationen zumindest ein bisschen Halt gegeben kann. Thomas Menzel: „Wenn am Ende eines Einsatzes ein „Danke, dass Sie da waren“ über die Lippen kommt, dann weiß ich, etwas Gutes und Richtiges getan zu haben.“ Er selbst verkraftet solche Einsätze im Gespräch mit einer Person seines Vertrauens.
Unser Kommentar:
Ein unverzichtbares Ehrenamt, das Hochachtung verdienen sollte
Einsätze bei schweren Verkehrsunfällen, Katastrophen, Suizid und weiteren extremen Situationen bekommt die Öffentlichkeit kaum konkret mit. Auch nicht, wie diese belastend für die Einsatzkräfte sein können. Das betrifft den Rettungsdienst ebenso wie die Feuerwehr, Technisches Hilfswerk aber auch die Beamten der Polizei. Vor allem Feuerwehrleute sind es, die dann auch Tote bergen, Schwerverletzte aus einem Pkw mit der Rettungsschere regelrecht herausschneiden oder die menschlichen Überreste bei einem Suizid am Bahngleis oder, wie beim Unfall auf der Brücke bei Bad Neustadt einsammeln. Notarzt Klaus Büchner hat es korrekt ausgedrückt, als er sagte: „Vor Ort machen wir unsere Arbeit, erst danach ist das Aufarbeiten dran.“ Immer wieder steigen Feuerwehrleute und Rettungskräfte in meiner Hochachtung, die in solchen Situationen „funktionieren müssen.“ Dass das nicht jeder kann, ist verständlich und so sind eben Freiwillige gefragt, sagt der Bad Neustädter Kommandant Markus Schleyer. Er, wie viele andere, wissen, dass so etwas im Nachhinein nur in Gesprächen verarbeitet werden kann. Aber: Genau das ist die Kameradschaft, die die Einsatzkräfte, ob bei der Feuerwehr, dem THW oder auch im Rettungsdienst, brauchen. Vergessen darf man dabei nie: Das ist ehrenamtliches Engagement für die Allgemeinheit! Etwas, das oftmals als Selbstverständlich erwartet wird. Hanns Friedrich